§ 283 StGB (Verhetzung) – Überblick in aller Kürze.
Anm: Mit dem Tatbestand der Verhetzung wird der „öffentliche Frieden“ geschützt. Dieser Begriff bezeichnet einen Zustand, in dem das Gemeinschaftsleben im Staat im Wesentlichen in einer Atmosphäre allgemeiner Rechtssicherheit frei von gegenwärtigen oder drohenden gewalttätigen kollektiven verläuft.
1) Wer öffentlich auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird,
2. zu Gewalt gegen eine Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine andere nach vorhandenen oder fehlenden Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder der nationalen oder der ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, einer körperlichen oder geistigen Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Ausrichtung definierten Gruppe von Personen oder ein Mitglied einer solchen Gruppe ausdrücklich wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe auffordertoder zu Hass gegen sie aufstachelt;
Anm: Zugänglich ist nicht gleichbedeutend mit (tatsächlich) zugegangen. Es ist daher nicht tatbestandsessenziell, dass die Aufforderung (wenigstens) rund 30 Menschen erreicht, sondern dass die konkrete Gefahr des Erreichens bestanden hat
Unter „Gewalt“ ist der Einsatz nicht unerheblicher, unmittelbar oder mittelbar gegen eine Person gerichteter physischer Kraft oder mechanischer (bzw. auch chemischer) Mittel zur Überwindung eines wirklichen oder auch nur erwarteten Widerstandes zu verstehen
Unter „Auffordern“ ist jede Äußerung, die darauf gerichtet ist, in (zumindest) einem anderen unmittelbar den Entschluss zur Vornahme der bezeichneten Handlung hervorzurufen, zu verstehen. Eine bloße Anregung, unterschwellige Beeinflussung oder ein Verhaltensvorschlag ist keine Aufforderung, ebenso wenig ein bloßes Befürworten oder Kritik an der Gesetzeslage
„Hass“ ist eine menschliche Emotion scharfer und anhaltender Antipathie.
„Aufstacheln“ ist mehr als Auffordern. Die Formulierung „Aufstacheln zu Hass“ entspricht jedoch inhaltlich der bisherigen Tathandlung des „Hetzens“, worunter nach der Rechtsprechung eine in einem Appell an Gefühle und Leidenschaften bestehende tendenziöse Aufreizung zum Hass und zur Verachtung zu verstehen ist. Der Tatbestand wird nicht nur durch unwahre Tatsachenbehauptungen begangen, es genügt vielmehr eine tendenziös verzerrte Darstellung, sofern diese in einem Appell an die Gefühle und Leidenschaften besteht, der zumindest grundsätzlich geeignet ist, zum Hass und zur Verachtung gegen eine bestimmte Gruppe aufzureizen
2. in der Absicht, die Menschenwürde anderer zu verletzen, eine der in Ziffer 1 genannten Gruppen in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, diese Gruppe in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, oder
Anm: „Beschimpfen“ ist jede in derber Form zum Ausdruck gebrachte Missachtung eines anderen; eine durch Form und Inhalt besonders verletzende Äußerung der Missachtung. Diese Tatbestandsalternative erfasst Schimpfworte, bestimmte Gebärden und sonstige Handlungen; Beschimpfungen können auch in Form von Emoticons erfolgen.
„Verächtlich machen“ bedeutet, den anderen als der Achtung seiner Mitmenschen unwert oder unwürdig hinzustellen, ihn also deren Verachtung auszusetzen.
„Herabsetzen“ bedeutet, über eine Person oder Sache abschätzig reden und dadurch ihren Wert, ihre Bedeutung ungerechtfertigt schmälern. Es genügt die Eignung des Verächtlichmachens oder Herabsetzens, es muss nicht zu einer Herabsetzung kommen
Der Tatbestand nach § 283 Abs. 1 Z2 setzt Absichtlichkeit voraus. Demnach muss es Täter darauf ankommen, die Menschenwürde anderer zu verletzen.
Die Menschenwürde wird verletzt, wenn durch die Tathandlung den Angehörigen der angegriffenen Gruppe unmittelbar oder mittelbar das Recht auf Menschsein schlechthin abgesprochen wird, indem ihnen etwa das Lebensrecht als gleichwertige Bürger bestritten wird oder sie als minderwertige oder wertlose Teile der Gesamtbevölkerung dargestellt werden oder wenn sie sonst einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden.
Bloß geschmacklose oder moralisch verwerfliche Äußerungen verletzen die Menschenwürde noch nicht. Richtet sich der Angriff bloß gegen einzelne Persönlichkeitsrechte (z.B. die Ehre), wird damit noch nicht die Menschenwürde verletzt
- Verbrechen (iS §§ 321 bis 321f StGB sowie § 321k StGB), billigt, gröblich verharmlost oder einen gerichtlich festgestellten Völkermord oder Kriegsverbrechen rechtfertigt, wenn es gegen eine der oben genannten Gruppen (Religion, Herkunft, Hautfarbe etc.) oder gegen eine Person wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer der oben genannten Personengruppen erfolgt.
ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen
Anm: Die Tathandlungen nach § 283 Abs. 1 Ziffer 3 entsprechen größtenteils jenen des § 3h VerbotsG. Billigen ist nichts anderes als Befürworten, Begrüßen, Gutheißen. Leugnen bedeutet In-Abrede-Stellen. Gröblich-Verharmlosen ist ein „Grob-Verniedlichen“, Bagatellisieren, Herunterspielen, Beschönigen. Rechtfertigen ist ein als „Richtig-Hinstellen“. Diese Handlungen müssen konkret die Eignung haben, zu Gewalt oder Hass gegen eine geschützte Gruppe bzw. ein Gruppenmitglied aufzustacheln, es muss aber nicht wirklich dazu kommen. Ob eine solche Eignung besteht, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen.
2) Wer die Tat nach Abs. 1 in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise begeht, wodurch die in Abs. 1 bezeichneten Handlungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
3) Wer durch eine Tat nach Abs. 1 oder 2 bewirkt, dass andere Personen gegen eine in Abs. 1 Z 1 bezeichnete Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Gewalt ausüben, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
4) (Verbreitung von verhetzendem Material) Wer, wenn er nicht als an einer Handlung nach den Abs. 1 bis 3 Beteiligter (§ 12) mit strengerer Strafe bedroht ist, schriftliches Material, Bilder oder andere Darstellungen von Ideen oder Theorien, die Hass oder Gewalt gegen eine in Abs. 1 Z 1 bezeichnete Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe befürworten, fördern oder dazu aufstacheln, in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise, wodurch diese einer breiten Öffentlichkeit zugänglich werden, in gutheißender oder rechtfertigender Weise verbreitet oder anderweitig öffentlich verfügbar macht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.
Erfasst sind die „Verbreitung“ von schriftlichem Material, von Bildern oder anderen Darstellungen (z.B. Tonträger, Tonübertragungen im Internet) von Ideen oder Theorien, die Hass oder Gewalt gegen eine in Abs. 1 Z 1 bezeichnete Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe wegen dessen Zugehörigkeit zu dieser Gruppe befürworten, fördern oder dazu aufstacheln. Das Tatmittel ist aufgrund der Generalklausel („andere Darstellung“) umfassend zu verstehen.
Verbreiten ist jede Tätigkeit, durch die die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Inhalts geschaffen. In Betracht kommt z.B. auch das Teilen von Inhalten in sozialen Medien. Mit Verfügbarmachen ist nach Art einer Generalklausel ein sonstiges Zugänglichmachen gemeint, ein Eröffnen des Zugriffs auf diese Materialien. Hier ist z.B. an das Bereitstellen von Inhalten auf einer Website zu denken.
Das Verbreiten bzw. Verfügbarmachen muss in gutheißender oder rechtfertigender Weise erfolgen. Diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass die Strafbarkeit eine Solidarisierung mit dem hetzerischen Gedankengut voraussetzt. Die Verbreitung mit kritischer Intention im Rahmen einer journalistischen Auseinandersetzung, zur Aufklärung und im Sinne einer sog. Gegenrede ist von § 283 Abs. 4 StGB nicht erfasst.
- Die Verhetzung wird als Äußerungsdelikt / Inhaltsdelikt verstanden, mit dem die Verbreitung rechtswidriger Äußerungen sanktioniert wird. Die Frage des Bedeutungsinhalts der inkriminierten Äußerung(en) fällt in die Feststellungsebene. Dabei ist nicht nur auf den Wortlaut abzustellen, sondern sind – konkret situationsbezogen – auch der Äußerungskontext sowie das gesamte Tatumfeld zu berücksichtigen. Demgemäß sind etwa Sprachgebrauch, Gewohnheiten und Bildungsgrad des Täters und der Adressaten ebenso zu beachten wie die (inneren und äußeren) Begleitumstände der Äußerung. Mit Blick auf die Tatbegehung in „sozialen Netzwerken“ sind in die gebotene Gesamtbetrachtung vor allem Äußerungen, auf die Bezug genommen wird (Rede – Gegenrede), Überschriften, Lichtbilder und Symbole einzubeziehen.
Quelle: http://www.ris.bka.gv.at
BMJ-S215.001/0002-IV