Europarecht

Richtlinie 2006/24 EG über Vorratsspeicherung von Daten ungültig

EuGH 8. April 2014, C‑293/12 und C‑594/12: Der Gerichtshof stellt zur Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 unter anderem fest, dass die vorgeschriebene Vorratsspeicherung der Daten zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zwar geeignet ist, doch beinhaltet sie einen Eingriff von großem Ausmaß und von besonderer Schwere in die fraglichen Grundrechte, ohne dass sie Bestimmungen enthielte, die zu gewährleisten vermögen, dass sich der Eingriff tatsächlich auf das absolut Notwendige beschränkt.

Erstens erstreckt sich die Richtlinie nämlich generell auf sämtliche Personen, elektronische Kommunikationsmittel und Verkehrsdaten, ohne irgendeine Differenzierung, Einschränkung oder Ausnahme anhand des Ziels der Bekämpfung schwerer Straftaten vorzusehen.

Zweitens sieht die Richtlinie kein objektives Kriterium vor, das es ermöglicht, den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den Daten und deren Nutzung zwecks Verhütung, Feststellung oder strafrechtlicher Verfolgung auf Straftaten zu beschränken, die im Hinblick auf das Ausmaß und die Schwere des Eingriffs in die fraglichen Grundrechte als so schwerwiegend angesehen werden können, dass sie einen solchen Eingriff rechtfertigen. Die Richtlinie nimmt im Gegenteil lediglich allgemein auf die von jedem Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht bestimmten „schweren Straftaten“ Bezug. Überdies enthält die Richtlinie keine materiell- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Zugang der zuständigen nationalen Behörden zu den Daten und deren spätere Nutzung. Vor allem unterliegt der Zugang zu den Daten keiner vorherigen Kontrolle durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle.

Drittens schreibt die Richtlinie eine Dauer der Vorratsspeicherung der Daten von mindestens sechs Monaten vor, ohne dass eine Unterscheidung zwischen den Datenkategorien anhand der betroffenen Personen oder nach Maßgabe des etwaigen Nutzens der Daten für das verfolgte Ziel getroffen wird. Die Speicherungsfrist liegt zudem zwischen mindestens sechs und höchstens 24 Monaten, ohne dass die Richtlinie objektive Kriterien festlegt, die gewährleisten, dass die Speicherung auf das absolut Notwendige beschränkt wird. Darüber hinaus stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie keine hinreichenden Garantien dafür bietet, dass die Daten wirksam vor Missbrauchsrisiken sowie vor jedem unberechtigten Zugang und jeder unberechtigten Nutzung geschützt sind. Unter anderem gestattet sie es den
Diensteanbietern, bei der Bestimmung des von ihnen angewandten Sicherheitsniveaus wirtschaftliche Erwägungen (insbesondere hinsichtlich der Kosten für die Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen) zu berücksichtigen, und gewährleistet nicht, dass die Daten nach Ablauf ihrer Speicherungsfrist unwiderruflich vernichtet werden.

Der Gerichtshof rügt schließlich, dass die Richtlinie keine Speicherung der Daten im Unionsgebiet vorschreibt. Sie gewährleistet damit nicht in vollem Umfang, dass die Einhaltung der Erfordernisse des Datenschutzes und der Datensicherheit durch eine unabhängige Stelle überwacht wird, obwohl die Charta dies ausdrücklich fordert. Eine solche Überwachung auf der Grundlage des Unionsrechts ist aber ein wesentlicher Bestandteil der Wahrung des Schutzes der Betroffenen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.

Da der Gerichtshof die zeitliche Wirkung seines Urteils nicht begrenzt hat, wird die Ungültigerklärung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie wirksam.

Quelle: httpcuria.europa.eujurisdocuments.jsfnum=C-29312

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Mangelnde Unabhängigkeit der Datenschutzkommission in Österreich

EuGH 16.10.2012, C-614/10: Die organisatorische Eingliederung der Geschäftsstelle der Datenschutzkommission in das Bundeskanzleramt sei nicht mit Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 vereinbar. Die DSK sei weder institutionell noch materiell unabhängig. Die Bediensteten der DSK seien dienstrechtlich dem Bundeskanzleramt zugeordnet und unterlägen dessen Dienstaufsicht. – Details folgen (Anm Admin)

 

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Abgeltung der Schädigung des sozialen Ansehens und des wirtschaftlichen Rufs nach § 87 Abs 2 UrhG, § 6 MedienG

OGH 4 Ob 153/11w, 28.02.2012: Der Anspruch nach § 87 Abs 2 UrhG setzt Verschulden voraus. Die Haftung ist betraglich nicht begrenzt. Bei der Bemessung ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beklagten nicht zu berücksichtigen. Der Anspruch nach § 87 Abs 2 UrhG geht über die erlittene Kränkung hinaus, er erfasst insbesondere auch (äußere) Persönlichkeitsschäden wie die Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Rufs und des sozialen Ansehens.

Der Anspruch nach den §§ 6 ff MedienG ist verschuldensunabhängig und betraglich begrenzt; bei der Bemessung ist auch auf die Wahrung der wirtschaftlichen Existenz des Medienunternehmens Bedacht zu nehmen. Beträge, die in einem medienrechtlichen Verfahren als Entschädigung für die erlittene Kränkung zugesprochen wurden, sind wegen der insofern jedenfalls bestehenden Anspruchskonkurrenz auf den Anspruch nach § 87 Abs 2 UrhG anzurechnen. Gleiches gilt – soweit es um die zugefügte Kränkung geht – auch in die umgekehrte Richtung.

 

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Verbraucher kann in seinem Mitgliedsstaat Unternehmer mit Sitz im EU-Ausland klagen, sofern Anbahnung über Internet erfolgte

EugH 6.9.2012, C-190/11: Selbst wenn der Kaufvertrag im EU-Ausland geschlossen (unterschrieben) wurde, kann der Verbraucher dennoch in seinem Mitgliedstaat den Unternehmer klagen, sofern die Geschäftsanbahnung über das Internet statt fand. Art. 15 Abs. 1 Buchst. c der Brüssel‑I‑Verordnung ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass der Vertrag zwischen Verbraucher und Unternehmer im Fernabsatz geschlossen wurde.

 

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VfGH beginnt mit Beratungen über die Vorratsdatenspeicherung

Der Verfassungsgerichtshof beginnt am 20. September 2012, mit den Beratungen seiner Herbst-Session, die bis zum 13. Oktober 2012 dauert. Eines der Themen ist die nach den Bestimmungen des Telekommunikationsgesetzes Speicherung von Internet, e-Mail und Telefon-, Verbindungsdaten für die Dauer von sechs Monaten. Grundlage für diese Bestimmung im  Telekommunikationsgesetz ist eine Richtlinie der Europäischen Union, wobei ald Motiv für diese Richtlinie die “Ermittlung, Feststellung und Verfolgung schwerer Straftaten” genannt wird.

Gegen diese Vorschrift wurde nun sog. Individualantrag gemäß Artikel 140 Abs. 1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung diese Bestimmung des Telekommunikationsgesetzes dem Grund- recht auf Datenschutz in der österreichischen Verfassung widerspricht und die Vorratsdatenspeicherung darüber hin-aus dem Artikel 8 der Europäischen Grundrechte Charta  zum Schutz personenbezogener Daten zuwiderläuft. (vgl. Pressemitteilung www.vfgh, 20.09.2012)

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