Strafrecht
Vorwurf des unehrenhaften Verhaltens nach § 111 Abs 1 zweiter Fall StGB
OGH 11.06.2013, 14 Os 74/13h, 14 Os 75/13f: Bei der Bewertung eines Verhaltens als unehrenhaft ist eine streng auf die Umstände des Einzelfalls abstellende differenzierende Betrachtung geboten. Eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Vorsatztat stellt ein (als Inbegriff zu verstehendes) Richtmaß für die Bewertung eines Verhaltens als unehrenhaft dar. Doch sind auch gerichtlich strafbare Fahrlässigkeitsdelikte und Verwaltungsübertretungen nicht generell vom Tatbestand des § 111 Abs 1 zweiter Fall StGB ausgenommen. Denn abhängig vom konkreten Vorwurf kann – bei gebotener Zugrundelegung eines normativen Maßstabes – ein gesetzwidriges Verhalten mit einer deutlich ins Gewicht fallenden Beeinträchtigung der sozialen Wertschätzung verbunden sein. Die Wiederholung des gesetzwidrigen Verhaltens über einen längeren Zeitraum, zugrunde liegende niedrige Motive, die Ausnützung einer Vertrauensstellung, die Erlangung unberechtigter Vorteile oder das Herbeiführen einer erhöhten Gefahrenlage für fremde Rechtsgüter können ein Verhalten als solcherart unehrenhaft erscheinen lassen.
Mit dem Vorwurf, mehrere Personen über einen Zeitraum von eineinhalb Monaten „schwarz“ beschäftigt und dadurch § 111 Abs 1 Z 1 iVm § 33 Abs 1 ASVG zuwider gehandelt, wurde im Anlassfall – im Hinblick auf den damit verbundenen gesteigert sozialwidrigen Unrechtsgehalt des angelasteten Verhaltens – die Wertschätzung des Opfers des Vorwurfs empfindlich beeinträchtigt. Die inkriminierten Äußerungen sind daher als Vorwurf eines unehrenhaften Verhaltens zu beurteilen.
Verletzung von subjektiven Rechten bei der Hausdurchsuchung
OLG Wien 06.02.2013, 18 Bs 105/11i: § 121 StPO regelt die Art und Weise der Durchführung einer Hausdurchsuchung: Gemäß § 121 Abs 1 StPO ist vor jeder Durchsuchung der Betroffene unter Angabe der hiefür maßgebenden Gründe aufzufordern, die Durchsuchung zuzulassen oder das Gesuchte freiwillig herauszugeben. Von dieser Aufforderung darf nur bei Gefahr im Verzug sowie im Fall des § 119 Abs 2 Z 1 StPO abgesehen werden. Nach Abs 2 leg.cit. hat der Betroffene das Recht, bei einer Durchsuchung nach § 117 Z 2 StPO anwesend zu sein sowie einer solchen eine Person seines Vertrauens zuzuziehen. In den Abs 2 und 3 des § 121 StPO werden die besonderen Anforderungen zusammengefasst, die sich aus dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für die Durchsuchung einer Person oder einer Wohnung ergeben. Hervorzuheben ist das Recht des Betroffenen, der Durchsuchung eine Person seines Vertrauens beizuziehen. Erlaubt die Dringlichkeit der Durchsuchung nicht, bis zum Eintreffen einer Vertrauensperson zuzuwarten, sollen der Durchsuchung einer Wohnung grundsätzlich von Amts wegen zwei unbeteiligte, vertrauenswürdige Personen beizuziehen sein (vgl EBRV StPRG 167). Damit soll für eine schonende und vor allem transparente Durchführung gesorgt werden; der Verdacht, dass eine Sache untergeschoben wurde, lässt sich hiedurch vermeiden.
Die Nichtbeiziehung zweier unbeteiligter vertrauenswürdiger Personen durch die Kriminalpolizei bei Durchfühung der Hausdurchsuchung verletzt das subjektive Recht des Betroffenen nach § 121 Abs 2 StPO.
Kriminalpolizeiliches Handeln auf Anordnung der Staatsanwaltschaft fällt unter Artikel 90a B-VG
OGH 12.12.2012, 15 Os 152/12k: Bei kriminalpolizeilichen Handeln aufgrund einer staatsanwaltschaftlichen Anordnung liegt ein Akt der Gerichtsbarkeit gemäß Art 90a B-VG vor, weshalb in diesem Bereich ein Einspruch gemäß § 106 StPO zulässig und dementsprechend von den Strafgerichten meritorisch zu erledigen ist. Lediglich im Fall einer offenkundigen Überschreitung der staatsanwaltschaftlichen Anordnung durch die Polizei im Sinn eines Exzesses läge ein der Verwaltung zuzurechnendes Organhandeln vor (VfGH 20. 9. 2012, B 1233/11; Hengstschläger/Leeb, AVG § 67a Rz 37 mwN). Die Entscheidung bei Verletzung des § 121 StPO wegen Unterlassung der Beiziehung der in Abs 2 leg cit genannten Personen sowie wegen Erregung unnötigen Aufsehens und vermeidbarer Störungen (Abs 3 leg cit) bei der Durchführung der staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungsanordnung durch die Polizei obliegt den Gerichten.
Hausdurchsuchung: Anordnung und Durchführung einer Maßnahme bilden eine verfassungsrechtliche Einheit
Einwendungen von RA David werden von der Generalprokuratur in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes aufgegriffen (OGH 15 Os 152/12k): Die Anordnung und Durchführung einer Maßnahme (vgl § 106 Abs 1 Z 2, Abs 2 StPO) stellen eine verfassungsrechtliche Einheit dar, die dem Staatsanwalt zuzuschreiben ist, sodass er im Einspruchsverfahren auch Fehler, vertreten muss, die der Kriminalpolizei bei der Durchführung seiner Anordnungen unterlaufen. Dies gilt auch angesichts der Aufhebung der Wortfolge „oder Kriminalpolizei” im ersten Satz des § 106 Abs 1 StPO durch den Verfassungsgerichtshofes am 16. Dezember 2010, G 259/09 ua. Daher kann nach wie vor gegen solche Maßnahmen der Kriminalpolizei Einspruch wegen Rechtsverletzung gemäß § 106 Abs 1 StPO erhoben werden, wobei in diesem Fall auch der Kriminalpolizei Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben wäre (vgl § 106 Abs 3 letzter Satz StPO).
Hausdurchsuchung und das beim Parteienvertreter hinterlegte und das nicht vom Berufsgeheimnis erfasste Beweismaterial
OGH 18.10.2012,13Os66/12y (13Os67/12w, 13Os68/12t, 13Os69/12i): Vom Berufsgeheimnis nicht umfasstes (zB schon existent gewesenes, beim Parteienvertreter hinterlegtes) Beweismaterial kann daher Gegenstand einer Durchsuchungsanordnung gemäß §§ 119 Abs 1, 120 Abs 1 StPO sein.