VfGH 29.06.2017, E 875/2017, E 886/2017: Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts gegen die vom Flughafen Wien-Schwechat geplante dritte Piste wurde als verfassungswidrig aufgehoben. Vor allem der Klimaschutz und der Bodenverbrauch wurde in einer verfassungswidrigen Weise in die Interessenabwägung einbezogen. Das BVwG, muss neuerlich entscheiden.
Das Bundesverwaltungsgericht habe die Rechtslage in seinem Erkenntnis in mehrfacher Hinsicht grob verkannt. Dieses gehäufte Verkennen der Rechtslage belastet die Entscheidung mit Willkür; es verletzt die Parteien im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz.
Der Verfassungsgerichtshof sieht Fehler vor allem bei der Auslegung der Staatszielbestimmung des umfassenden Umweltschutzes durch das Bundesverwaltungsgericht. Es ist zwar verfassungsrechtlich geboten, den Umweltschutz bei der Abwägung von Interessen für und gegen die Genehmigung eines Projekts einzubeziehen. Aber: Die im Gesetz genannten „sonstigen öffentlichen Interessen“, die bei der Abwägung gemäß Luftfahrtgesetz zu berücksichtigen sind, müssen aus dem Luftfahrtgesetz selbst ableitbar sein.
Eine Erweiterung dieser Interessen findet durch die Staatszielbestimmung nicht statt – weder auf Klimaschutz noch auf Bodenverbrauch. Auch ist aus dem Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit kein absoluter Vorrang von Umweltschutzinteressen ableitbar.
Das Verwaltungsgericht hat zudem die mit dem Projekt verbundenen Kohlendioxid-Emissionen fehlerhaft berechnet. Vereinfacht formuliert: Laut Feststellung eines gerichtlichen beeideten Sachverständigen wären nur die Emissionen einzurechnen, die während Start und Landung erfolgen („LTO-Emissionen“ – Landing and Take Off). Der Senat des BVwG habe hingegen in seiner Prognose für das Jahr 2025 Emissionen berücksichtigt, die während des gesamten Fluges anfallen („Cruise-Emissionen“).
Dazu kommt, dass sich das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Auswirkungen der Emissionen fälschlich auch auf Rechtsgrundlagen und internationale Abkommen wie das Kyoto-Protokoll beruft, die es in diesem Fall nicht hätte heranziehen dürfen. Auch das Klimaschutzziel in der niederösterreichischen Landesverfassung darf für die Auslegung des Luftfahrtgesetzes nicht herangezogen werden, weil dieses Ziel nur für den Wirkungsbereich des Landes anzuwenden ist.
Die schriftliche Ausfertigung wird den Verfahrensparteien nach Fertigstellung zugestellt und veröffentlicht.
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