Zivil- und Zivilprozessrecht
Die Schriftform der Bürgschaft nach § 1346 Abs 2 ABGB wurde zum Zweck der Vermeidung schwerer Folgen unüberlegter, leichtfertiger Gutstehungserklärungen eingeführt.
OGH 14.01.2010, 6 Ob 114/09x: Die Schriftform der Bürgschaft nach § 1346 Abs 2 ABGB wurde zum Zweck der Vermeidung schwerer Folgen unüberlegter, leichtfertiger Gutstehungserklärungen eingeführt. Sie soll den Bürgen vor dem übernommenen Risiko warnen, die Bedeutung seiner Verpflichtung zum Bewusstsein bringen und die Ernstlichkeit seines Verpflichtungswillens außer Zweifel stellen. Die Schriftlichkeit der Bürgschaft ist Gültigkeitsvoraussetzung. Eine formmangelhafte Bürgschaft kann zwar wirksam erfüllt, ihre Erfüllung aber nicht erzwungen werden
Eine schriftliche Bürgschaftserklärung muss nicht den vollen Inhalt der Bürgschaftshaftung angeben, es reicht das Hervorgehen der wesentlichen Merkmale der Bürgschaftsverpflichtung.
Gerade das zentrale Merkmal der Bürgschaftsverpflichtung ist aber der rechtsgeschäftliche Wille, persönlich für eine fremde Schuld einzustehen. Hierin unterscheidet sich die Bürgschaft etwa von einer bloßen Verwendungszusage oder einer Absichtserklärung, den Schuldner bei der Erfüllung seiner Verpflichtung aus eigenen Mitteln zu unterstützen (wie sie von der Zweitbeklagten im vorliegenden Verfahren behauptet wurde). Der Verpflichtungswille, für eine fremde Schuld einzustehen, muss in der schriftlichen Bürgschaftserklärung jedenfalls zum Ausdruck kommen.
Es entspricht stRsp des OGH, dass bei undeutlichen Verpflichtungserklärungen im Zweifel (nur) Bürgschaft und nicht Schuldbeitritt anzunehmen ist. Letzterer liegt zumindest in der Regel nur dann vor, wenn ein unmittelbares rechtliches oder wirtschaftliches Interesse an der Erfüllung der Verbindlichkeit des ersten Schuldners besteht. Die Übernahme einer Verpflichtung, um Verwandten (hier: einem Freund) zu helfen, wie überhaupt ein persönliches, ideelles oder moralisches Interesse, wird als für die Annahme eines Schuldbeitritts und somit eines eigenen wirtschaftlichen Interesses regelmäßig nicht als ausreichend angesehen.
Verstoß gegen das Bankgeheimnis bei Forderungsabtretung
OGH 26.11.2012, 9 Ob 34/12h: Verstoß gegen das Bankgeheimnis, wenn ein Kreditinstitut ohne Zustimmung des Kunden eine nicht titulierte Kreditforderung an einen nicht dem Bankgeheimnis unterliegenden Zessionar abtritt. In einem solchen Fall ist die Abtretung unwirksam, wenn keine weiteren schützenswerten Interessen des Kreditinstituts erkennbar sind.
Eine Ärztin hatte 1993 gemeinsam mit ihrer in Tschechien lebenden Schwester und deren Ehemann bei einem österreichischen Kreditinstitut einen Kredit aufgenommen, mit dem die Schwester und ihr Ehemann einen Hausbau in Prag finanzieren wollten. Als es unter ihnen zu Streitigkeiten über die Kreditrückzahlung kam und die Ärztin keine Kreditraten mehr zurückzahlte, stellte das Kreditinstitut den Kredit gegenüber der Ärztin fällig und informierte davon die beiden anderen Kreditnehmer. Über Vorschlag der Ärztin verkaufte das Kreditinstitut die Kreditforderung an eine tschechische GmbH, ohne mit den anderen Kreditnehmern Rücksprache zu halten.
Die GmbH klagte von allen drei Kreditnehmern den offenen Saldo ein. Diese wandten ua ein, dass das Kreditinstitut durch die Offenlegung der Personaldaten und der Daten des Kreditvertrages gegenüber der GmbH das Bankgeheimnis verletzt habe. Die Forderungsabtretung sei daher nichtig.
Der Oberste Gerichtshof führte aus, dass zu den bankgeheimnisrelevanten Tatsachen auch der Name und die Kontaktdaten des Kreditnehmers, die Kreditaufnahme, die Höhe des Kreditvolumens und die mit der Rückzahlung verbundenen Umstände zählen. Für die Frage, ob die Offenlegung solcher Daten eine Verletzung des Bankgeheimnisses bedeutet, wog der OGH ab:
Zwar gebe es grundsätzlich ein gesetzlich anerkanntes Interesse an der Abtretbarkeit insbesondere auch von Kreditforderungen. Andererseits komme auch dem Bankgeheimnis ein besonderer Stellenwert zu, weil seine Änderung einer Verfassungsbestimmung bedürfe und seine Verletzung strafbar sei. Zu berücksichtigen sei auch, ob sich der Kreditnehmer vertragswidrig verhalten (Zahlungsverzug) und der Kreditgeber die Forderung bereits erfolgreich eingeklagt habe. Könne eine Kreditklage aber noch abgewehrt werden, würde die mit der Rechtsdurchsetzung begründete Rechtfertigung für die Offenbarung der Kreditdaten an den Dritten wegfallen, ohne dass die Geheimnisverletzung rückgängig zu machen sei. In einem solchen Fall sei die Abtretung unwirksam, wenn keine weiteren schützenswerten Interessen des Kreditinstituts erkennbar seien. Ob eine Abtretung „banküblich“ sei, sei dagegen nicht entscheidend, weil sich die Praxis insofern verändern könne. Ob es eine Rolle spiele, wenn der Forderungserwerber selbst dem Bankgeheimnis unterliege, wurde offen gelassen, weil die GmbH jedenfalls nicht an das Bankgeheimnis gebunden war. Hinsichtlich der beiden in Tschechien wohnhaften Kreditnehmer war die Forderungsabtretung daher unwirksam.
Vorbringen und Beweise in der Berufungsbeantwortung § 468 Abs 2 ZPO
OGH 11.10.2012, 1 Ob 181/12t: Eine gegen verfahrensrechtliche Vorschriften verstoßende Unterlassung einer Beweisaufnahme könnte allenfalls einen Verfahrensmangel nach § 468 Abs 2 ZPO bedeuten. Die unterlassene Aufnahme von Beweisen kann im Anwaltsprozeß den Tatbestand des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nicht erfüllen.
Beweislastverteilung bei rufschädigender und ehrenrühriger Tatsachenbehauptung
OGH 13.09.2012, 6 Ob 99/12w: Der Betroffene hat, wenn eine Rufschädigung gleichzeitig eine Ehrenbeleidigung iSd § 1330 Abs 1 ABGB ist, bezüglich der Ansprüche nach Abs 2 nur die Tatsachenverbreitung zu beweisen; die Richtigkeit der Tatsache (Wahrheitsbeweis) beziehungsweise das Fehlen der (objektiven oder subjektiven) Vorwerfbarkeit der unrichtigen Verbreitung hat hingegen der Täter zu beweisen. Nur wenn die Rufschädigung nicht gleichzeitig auch eine Ehrenbeleidigung umfasst, trifft den Kläger nach allgemeinen Regeln die Beweislast, das heißt er hat die Tatsachenverbreitung und deren Ursächlichkeit für die Gefährdung oder Verletzung zu beweisen und darüber hinaus auch die Tatsachenunrichtigkeit.
Vollstreckbarerklärung eines italienischen Mahnbescheids und das rechtliche Gehör des Verpflichteten
OGH 19. 9. 2012, 3 Ob 123/12b: Ein in Italien ergangener Mahnbescheid, der ohne Anhörung des Beklagten erlassen und in Italien für vollstreckbar erklärt wurde, kann in Österreich nicht vollstreckt werden.
Grundsätzlich können Entscheidungen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union in jedem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden. Dies gilt aber dann nicht, wenn der (hier italienische) Mahnbescheid ohne jede Anhörung des verpflichteten österreichischen Unternehmens erlassen und auch sofort in Italien für vollstreckbar erklärt wurde. Eine Vollstreckung in Österreich kommt demnach deswegen nicht in Betracht, weil das rechtliche Gehör des österreichischen Unternehmens nicht gewahrt wurde, es also keine Möglichkeit hatte, Einwendungen gegen die Forderung geltend zu machen.