Zivil- und Zivilprozessrecht

Ausgleichsanspruch – Beweispflicht für die Zuführung von (neuen) Stammkunden

 OGH 24. 05. 2016, 8 ObA 59/15g: Der Tankstellenpächter hat als Voraussetzung seines Ausgleichsanspruchs nachzuweisen, dass und in welchem Ausmaß er der Tankstelle neue Stammkunden zugeführt hat. Dafür und in welchem Ausmaß diese Kunden bereits vorher Kunden der Mineralölgesellschaft waren („Altkunden“), ist hingegen das Unternehmen behauptungs- und beweispflichtig.

Im Zusammenhang mit der Prüfung der Berechtigung des Tankstellenpächters vom Unternehmer einen Ausgleichsanspruch zu fordern, führte das Höchstgericht zur Frage der Beweislast  für die Zuführung neuer Stammkunden im Wesentlichen aus:

Der Tankstellenpächter kommt der ihm obliegenden Behauptungs- und Beweislast hinreichend nach, wenn er beweist, dass und in welchem Ausmaß er der Tankstelle neue Stammkunden zugeführt hat. Dafür und in welchem Ausmaß diese Kunden vorher schon Kunden der Mineralölgesellschaft waren (und daher als „Altkunden“ anzusehen sind), ist hingegen das Mineralölunternehmen behauptungs- und beweispflichtig. Der EuGH hat jüngst zur Richtlinie über Handelsvertreter ausgesprochen, dass diese den Schutz der Interessen des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer bezweckt, weshalb der Begriff „neuer Kunde“ nicht eng ausgelegt werden darf.

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Sondergewährleistungsrecht bei Eigentumswohnungen

OGH 26. 04. 2016, 6 Ob 56/16b: Der seinerzeitige Begründer von Wohnungseigentum haftet bei einem Althaus dafür, dass in absehbarer Zeit keine erheblichen Erhaltungsarbeiten notwendig sind, wenn er bei Verkauf einer Wohnung dem Käufer kein Gutachten über den Bauzustand übergibt. Die Kläger erwarben im Jahr 2009 eine Eigentumswohnung in einem 1910 errichteten Haus vom ursprünglichen Eigentümer. Dabei wurde ihnen kein Gutachten über in absehbarer Zeit erforderliche Erhaltungsarbeiten übergeben. In der Folge stellte sich heraus, dass erhebliche Erhaltungsarbeiten erforderlich sind. Die Kläger klagten den Verkäufer auf Ersatz des auf sie entfallenden Anteils an den Kosten der Erhaltungsarbeiten. Das Erstgericht gab der Klage dem Grunde nach statt; das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf, weil noch ergänzende Feststellungen erforderlich seien. Gemäß § 37 Abs 4 WEG 2002 haben die Wohnungseigentumsorganisatoren vor oder mit der Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum an Teilen eines Hauses, dessen Baubewilligung zum Zeitpunkt der Zusage älter als 20 Jahre ist, dem Wohnungseigentumsbewerber ein Gutachten über den Bauzustand der allgemeinen Teile des Hauses, insbesondere über in absehbarer Zeit (ungefähr zehn Jahre) notwendig werdende Erhaltungsarbeiten, zu übergeben. Andernfalls gilt ein Erhaltungszustand des Hauses als vereinbart, der in den nächsten zehn Jahren keine größeren Erhaltungsarbeiten erfordert.Bei § 37 Abs 4 WEG 2002 handelt es sich um eine gesetzlich typisierte Gewährleistungspflicht. Der Beklagte, der seinerzeit am gesamten Haus Wohnungseigentum begründet hat, ist im Sinne dieser Bestimmung als „Wohnungseigentumsorganisator“ anzusehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er die Wohnungen sukzessive abverkauft hat.§ 37 Abs 4 WEG 2002 ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass sie sich die Notwendigkeit größerer Erhaltungsarbeiten unter Umständen erst mit einer deutlichen Verzögerung manifestiert. Diese Ratio des Gesetzes erfordert, dass die dreijährige Gewährleistungsfrist erst zu dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem sich ‑ innerhalb von zehn Jahren ‑ für den Erwerber die Erforderlichkeit von „größeren“ Erhaltungsarbeiten zweifelsfrei manifestiert.

 

Frage der Haftung nach einer erfolgreichen Phishing-Attacke auf einen Kleinstunternehmer 

OGH 15. 3. 2016, 10 Ob 102/15w: Auch mit einem Kleinstunternehmer kann im Rahmen des Online-Bankings rechtswirksam vereinbart werden, dass dieser, sofern er seine persönlichen Sicherheits- und Identifikationsmerkmale einem Dritten überlässt oder ein unberechtigter Dritter infolge einer Sorgfaltswidrigkeit des Unternehmers Kenntnis von dessen persönlichen Sicherheits- und Identifikationsmerkmalen erlangt, bis zur Wirksamkeit der Sperre alle Folgen und Nachteile infolge dieser missbräuchlichen Verwendung zu tragen hat. Die beiden Kläger führen eine kleine Frühstückspension. Sie nutzen regelmäßig die vom beklagten Bankinstitut angebotene Möglichkeit des Online-Bankings. Ein Überweisungslimit war nicht vereinbart. Die Kläger wurden mehrfach darauf hingewiesen, dass sie in keinem Fall Dritten ihre persönlichen Transaktionsnummern (iTANs) bekanntgeben dürfen. Nach den vereinbarten Bedingungen für Online-Banking trägt der Kunde, sofern er seine persönlichen Sicherheits- und Identifikationsmerkmale einem Dritten überlässt oder sofern ein unberechtigter Dritter infolge einer Sorgfaltswidrigkeit des Kunden Kenntnis von den persönlichen Sicherheits- und Identifikationsmerkmalen erlangt, bis zur Wirksamkeit der Sperre alle Folgen und Nachteile infolge der missbräuchlichen Verwendung. Im Mai 2011 wurden die beiden Kläger Opfer einer sogenannten „Phishing-Attacke“, im Zuge derer unautorisierte Dritte in 4 Einzelüberweisungen insgesamt 42.000 EUR vom Geschäftsgirokonto der Kläger auf fremde Konten überwiesen. Nach den maßgebenden Feststellungen ist davon auszugehen, dass der Erstkläger seine iTANs dem Phishing-Betrüger durch Ausfüllen eines generierten Formulars offengelegt hat. Die beiden Kläger begehren von der beklagten Partei, ihr Girokonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die vier nicht autorisierten Zahlungsvorgänge befunden hätte. Die Klage blieb in allen drei Instanzen erfolglos.Der Oberste Gerichtshof ging in seiner Entscheidung im Wesentlichen davon aus, dass die Kläger als „Kleinstunternehmer“ anzusehen seien. Da der österreichische Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen zur Frage der Haftung und der Erstattungspflichten im Fall von nicht autorisierten Zahlungsvorgängen von der Möglichkeit einer Gleichstellung von Kleinstunternehmern mit Verbrauchern keinen Gebrauch gemacht habe, komme im vorliegenden Fall die für Verbraucher in diesem Zusammenhang vorgesehene Einschränkung der Haftung bei leichtem Verschulden auf 150 EUR nicht zur Anwendung. Der Erstkläger habe dadurch, dass er der im Rahmen eines Zahlungsvorgangs völlig unüblichen Aufforderung zur Bekanntgabe seiner iTANs nachgekommen sei und eine Mehrzahl von (unverbrauchten) iTANs gleichzeitig eingegeben habe, ohne Verdacht zu schöpfen bzw den Vorgang abzubrechen und bei der beklagten Bank Rücksprache zu halten, gegen eindeutige Sicherheitsanweisungen und Warnungen verstoßen. Er hafte daher der beklagten Partei aufgrund der für das Online-Banking rechtswirksam vereinbarten Haftungsregelung für alle Folgen und Nachteile infolge der missbräuchlichen Verwendung seiner iTANs. Die beklagte Partei könne mit ihrer Forderung gegen den den Klägern aufgrund der von ihnen nicht autorisierten Zahlungsvorgänge in gleicher Höhe zustehenden Erstattungsanspruch aufrechnen. Dies treffe auch auf die für Verbindlichkeiten aus dem gemeinsamen Geschäftskonto als Solidarschuldnerin haftende Zweitklägerin zu.

Nottestament: Der Bedachte ist beweispflichtig für Unzumutbarkeit der Beiziehung eines 3. Testamentszeugen

OGH 17.03.2016, 2 Ob 86/15h: Nach § 597 Abs 1 ABGB kann der Erblasser mündlich (oder auch schriftlich) unter Beiziehung zweier fähiger Zeugen, die zugleich gegenwärtig sein müssen, nur mehr dann rechtswirksam testieren, wenn unmittelbar die Gefahr droht, dass er stirbt oder die Fähigkeit zu testieren verliert, bevor er seinen letzten Willen auf andere Weise zu erklären vermag. Ein so erklärter letzter Wille verliert 3 Monate nach Wegfall der Gefahr seine Gültigkeit. Die Notsituation liegt nur vor, wenn sowohl Lebensgefahr oder Gefahr des Verlusts der Testierfähigkeit als auch die (dadurch bedingte) Unmöglichkeit in anderer Weise zu testieren besteht. Ungeachtet der im Gesetz objektiv formulierten Gefahrensituation kommt es aber darauf an, ob ein allgemein nachvollziehbarer, durch objektive Umstände begründeter Eindruck einer Notsituation beim Erblasser besteht.

Als weiteres Tatbestandselement setzt die Errichtung eines Nottestaments voraus, dass der Erblasser seinen letzten Willen auf andere Weise nicht zu erklären vermag. Das Nottestament soll ultima ratio sein. Der Zeitpunkt der Möglichkeit eines ordentlichen Testaments kann aber nur zusammen mit jenem der möglichen Gefahrenverwirklichung geprüft werden, auszugehen ist von einer Betrachtung ex ante. Besteht nach obigen Kriterien eine Gefahrensituation, wird dem testierwilligen Erblasser ein längeres Zuwarten nicht zumutbar sein. Das versteht sich von selbst in den gerne zitierten „Extremfällen“ (Unfall im Hochgebirge, Absturzgefahr eines Flugzeugs etc), kann aber auch beim Aufenthalt eines Schwerkranken im Krankenhaus zu bejahen sein, dessen Gesundheitszustand sich jederzeit verschlechtern kann. Zu fragen ist aber, welche Anstrengungen dem Erblasser selbst zumutbar waren, um in seiner konkreten Lage nicht nur die Formerfordernisse eines Nottestaments, sondern jene eines ordentlichen Testaments zu erfüllen, also ob er persönlich in der Lage war, einen Notar zu sich zu rufen. Auf die mehr oder weniger große Hilfsbereitschaft dritter Personen kommt es dabei nicht an.

Der Beweis der äußeren Formgültigkeit einer letztwilligen Anordnung obliegt dem darin Bedachten. Dies gilt auch für ein mündliches Nottestament. Die Beweislast dafür, dass dem Erblasser die Hinzuziehung eines dritten Testamentszeugen (für ein fremdhändiges Testament nach § 579 ABGB) nicht zumutbar war, trifft daher ebenfalls die Bedachten.

Anspruch (naher) Angehöriger am Schutz des Bildnisses des Verstorbenen

OGH 17.02.2014, 4 Ob 203/13aFür die §§ 77 und 78 UrhG ist daran festzuhalten, dass das Gesetz nach dem Tod des Betroffenen einen Anspruch der nahen Angehörigen vorsieht, wobei es nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen auf deren Interessen ankommt, die aber im Regelfall schon dann beeinträchtigt sein werden, wenn die Interessenabwägung zu Lebzeiten des Betroffenen zu dessen Gunsten ausgegangen wäre. Eine besondere Begründung für eine eigene Interessenbeeinträchtigung der Angehörigen ist daher nicht erforderlich. Hätte der Verstorbene ein berechtigtes Interesse an einer Urteilsveröffentlichung gehabt, wird auch ein entsprechendes Interesse des Angehörigen bestehen. Eine besondere Begründungspflicht des Angehörige, weshalb er selbst ein über die Wahrung des Ansehens des Betroffenen hinausgehendes Interesse an der Veröffentlichung hat, ist nicht erforderlich. Dem Gesetz kann schließlich nicht entnommen werden, dass die in Betracht kommenden Angehörigen den Anspruch nur gemeinsam geltend machen können. — Abzugrenzen vom postmortalen Persönlichkeitsschutz nach § 16 ABGB oder §§ 77 und 78 UrhG sind Ansprüche aufgrund des „geldwerten Bekanntheitsgrads“ einer verstorbenen Person. Die unbefugte Nutzung eines solchen Bekanntheitsgrads begründet einen Bereicherungsanspruch nach § 1041 ABGB. Ein solcher Anspruch hat vermögensrechtlichen Charakter, sodass kein Grund erkennbar ist, weshalb er nicht vererblich sein sollte.

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